Ein Fazit - Rede von
Prof. Dr. Jürgen Dankert zum Senatsempfang im Hamburger Rathaus am 3. Juni 2005 -
Sehr geehrter Herr Staatsrat, meine Damen und Herren,zunächst möchte ich mich - und ich glaube im Namen aller Gäste sprechen zu dürfen - ganz herzlich für die Einladung zu diesem
Senatsempfang bedanken, und ich weiß besonders zu würdigen, welchen Stress Sie, Herr Staatsrat, auf sich genommen haben, um von einer wichtigen auswärtigen Verpflichtung rechtzeitig hier herzukommen.
Nach 100 Jahren Ingenieursausbildung und zwei Tagen, an denen wir das gefeiert haben, wird von mir jetzt sicher so etwas wie eine Bilanz erwartet. Ich ziehe sie, wie es sich für einen Ingenieur gehört:
Analytisch, ehrlich und vor allem mit dem Ziel, was auch im Motto unserer Feierlichkeiten steht, etwas für die Zukunft daraus abzuleiten. Ich habe mir 6 Stichworte notiert:
- Gestatten Sie mir, mit einer sehr selbstbewussten Bemerkung zu beginnen: Wir wussten es immer, dass wir gut sind. Aber wenn man wie ich in den letzten Monaten Kontakt mit allen
Branchen, allen Zweigen der Wirtschaft hatte, in denen die Ingenieure eine maßgebliche Rolle spielen, wenn man also sehr
weit über den eigenen Tellerrand hinausblickt, dann kommt man manchmal aus dem Staunen nicht heraus. An diesem Punkt
ziehe ich eine selbst für mich, der der Einbildung unterlegen war, auch an der vordersten Front der Ingenieurwissenschaft zwar
nur einen ganz kleinen Ausschnitt tatsächlich selbst zu können, doch aber wenigstens informiert zu sein, überraschende Bilanz:
Toll, was geleistet wurde, und ganz toll, was sich in unserer Metropolregion abspielt. Wir haben es in Ausschnitten auf unserem Symposium heute erfahren.
Und damit möchte ich gleich einen leicht negativen Posten in unsere Bilanz einfließen lassen: Das kommt in der Öffentlichkeit nicht an. Warum nicht, habe ich mich immer
wieder gefragt. Und der von Pressevertretern immer wieder gehörte Satz: "Das interessiert unsere Leser nicht, das versteht auch keiner.", den glaube ich immer noch
nicht. Aber: Wir Ingenieure müssen bereit sein, auch einmal so zu formulieren, dass der Fachkollege vielleicht mangelnde wissenschaftliche Exaktheit bemäkelt, das breite Publikum uns aber versteht.
- Bei den Medienvertretern konnte ich geradezu darauf warten, wenn ich über innovative Ingenieurleistungen sprach, dass die Frage kam, ob das denn nicht auch Arbeitsplätze
vernichte. Und wir können ja nicht bestreiten, dass Automatisierung und jede andere Art von Produktivitätssteigerung immer weniger menschliche Arbeitskraft erfordert. Aber
die Innovationen schaffen auch Arbeitsplätze und Verzicht auf Verbesserung der Produktivität vernichtet letztendlich alle Arbeitsplätze in diesem Bereich.
Nein, ich glaube nicht, dass man das nicht versteht, im Gegenteil: Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass man gerade bei den großen und vielfach wahrlich
segensreichen Innovationen gern versucht, das Haar in der Suppe zu finden, weil in Deutschland eine unselige Konkurrenz
zwischen Ingenieur- und Naturwissenschaftlern einerseits und Geisteswissenschaften und Kunst andererseits entstanden ist.
Das hat sehr viel mit Geld zu tun, mit der Verwendung öffentlicher Mittel, der Finanzierung von Studienplätzen und Geldern
für die Forschung. Und Medienvertreter sind nur sehr selten Naturwissenschaftler und einem Ingenieur bin ich gar nicht begegnet, und deshalb lesen und hören wir immer wieder von der Medienstadt Hamburg, der Bezeichnung
“Hightech-Metropole Hamburg”, die wahrlich auch gerechtfertigt ist, werden Sie vermutlich in den Medien auch zukünftig kaum begegnen.
Aber auch hier sollten wir nach der Möglichkeit fragen, wie wir als Ingenieure diese Situation verändern können. Ich glaube,
mit einer Offensive unsererseits, mit der Feststellung, dass man zum Beispiel als junger Mensch ein Ingenieurstudium gerade
auch deshalb an einer der drei Hamburger Hochschulen beginnen sollte, weil neben diesen eine große Universität und weitere
kleinere Hochschulen existieren, die eine so breite Palette der Wissenschaft repräsentieren, dass die Bezeichnung
“Metropole des Wissens” für unsere schöne Stadt durchaus gerechtfertigt ist. Auf keinen Fall sollten wir uns - auch durch den
leidigen Kampf um das Geld - dazu verleiten lassen, in den Vertretern der Geisteswissenschaften Konkurrenten zu sehen.
Eine positive Bilanz kann ich in folgender Hinsicht
ziehen: Zahlreiche Firmen konzentrieren ihre Bemühungen in Forschung und Innovation darauf, dass in Deutschland nicht nur entwickelt, sondern auch produziert werden kann, und gerade große Firmen - es
ist nicht möglich, in Hamburg einige Weltfirmen zu nennen, ohne sich bei den vielen Nichtgenannten entschuldigen zu müssen -, lassen deutlich strategische Überlegungen erkennen, insbesondere den
Produktionsstandort Deutschland zu stützen. Wir haben gerade zwei beeindruckende Vorträge von Vertetern von Philips und Airbus in dieser Hinsicht gehört, und die Ankündigung einer Stiftungsprofessur
im Vortrag von Herrn Dr. Kutzim (Airbus) für die HAW Hamburg zeigt, wie gute Beispiele Schule machen. Die erste Stiftungsprofessur für die Hochschule für Angewandte Wissenschaft, ergänzt
durch eine beachtliche Ausstattung, haben Herr Dr. Böhm von der Firma DaimlerChrysler
und Senator Dräger, Ph. D.
vor 2 Wochen in einer Pressekonferenz hier im Rathaus bekannt gegeben. Firmen, die sich in dieser Weise für die Ingenieurausbildung engagieren, investieren in die Zukunft des Hightech-Standorts
Hamburg, und vielleicht bringt diese Information den einen oder anderen der anwesenden Industrievertreter auf eine weitere gute Idee dieser Art.
Unser Verhältnis - ich spreche von den Ingenieuren - und unsere Beziehungen zur Politik sind - vorsichtig ausgedrückt -
verbesserungsfähig, unsere Präsenz in der Politik ist annähernd gleich Null. Zu diesem Thema empfehle ich den auch in
anderer Hinsicht sehr interessanten Artikel von Prof. Dalheimer (ehemaliger Präsident der Fachhochschule Hamburg) in der Festschrift, der in Ausschnitten auch gestern im Abendblatt stand. Das war mir bewusst, aber trotzdem bin ich in den letzten Monaten ins Grübeln geraten, denn unsere engsten
Verwandten, die Naturwissenschaftler, scheinen ganz offensichtlich hier eine Offensive gestartet zu haben. Es fiel mir erstmals in unserem Hochschulsenat auf, wo ich in der
Präsidiumsreihe neben dem Mathematiker als Präsidenten eine Chemikerin, einen Physiker und einen weiteren Mathematiker zählte. Und auf der Pressekonferenz am
vergangenen Dienstag, sehr geehrter Herr Salchow, wurde mir bewusst, dass die Wissenschaftler in Hamburg von zwei Physikern regiert werden. Und spätestens, wenn
im Herbst eine Physikerin Bundeskanzlerin wird, sollten wir Ingenieure ernsthaft überlegen, ob wir nicht das tun sollten, worin wir Übung haben: Immer waren uns die
Naturwissenschaftler in den Erkenntnissen voraus, und wir haben daraus dann Kapital geschlagen. Als Fazit bleibt die Aufforderung von Prof. Dalheimer in dem bereits genannten Beitrag: Ingenieure, bringt euch ein!
Den Hochschulen möchte ich zurufen: Intensiviert die Alumni-Arbeit, um in der Jugend für ein Ingenieurstudium zu werben. Die Ehemaligen sind bestens geeignet, um die jungen Menschen zu überzeugen. Und damit bin ich bei den vielen Ehemaligen, die an unseren Veranstaltungen teilgenommen haben. Auch hier bitte
ich um Entschuldigung, wenn ich stellvertretend für viele nur einige wenige ältere Semester nenne. Der am weitesten Angereiste ist Herr Erik Meyer
, Absolvent des Jahrgangs 1965, er
kommt aus Ohio. Er begann seine beeindruckende internationale Karriere als Auslandsreferent des AStA am Berliner Tor.
Herr von Tiesenhausen, Absolvent des Jahrgangs 1943
, der Vater des Mondautos - Sie können es in unserer Festschrift nachlesen -, konnte sich als über Neunzigjähriger die lange Reise leider nicht mehr übernehmen. Stellvertretend für ihn begrüße ich seine ehemaligen
Kommilitonen Franz-Herbert Spitz und Werner Eggers
.
Und nun habe ich noch ein Jubiläum zu verkünden: Zahlreichen Ehemaligen konnte ich in den letzten
Jahren zum Goldenen (dem 50.) Examensjubiläum gratulieren. Und wenn wir die Bezeichnung von den Jubiläumshochzeiten auf die Examensjubiläen
übertragen, dann können wir heute zwei "Eiserne Examensjubiläen" feiern und zwei Absolventen, den Herren Erich Hildebrandt und Gerhard Hellmann
, gratulieren, die vor 65 Jahren ihr Examen ablegten. Und das ist dann wohl ein Grund, dass Sie, sehr geehrter Herr Staatsrat, hier wieder die Regie übernehmen, zumal ich sicher bin, dass Sie als Physiker und
Mathematiker die Kopfrechenaufgabe, mit der alle Anwesenden gerade beschäftigt sind - “In welchem Jahr werde ich denn mein 65-jähriges Examensjubiläum feiern?” -, längst gelöst haben.
Verehrte Gäste, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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